Agri-PV-Systeme
Aus eins mach zwei
Die Ressourcen sind knapp. Landwirte müssen entscheiden: Baue ich auf meinem Boden Nahrungsmittel an oder nutze ich die Fläche zur Energiegewinnung. Es gibt allerdings eine Technik, die beide Grundbedürfnisse vereint: das Agri-Photovoltaik-System
Agrar-Photovoltaik-Systeme, im Fachjargon Agri-PV genannt, sind eine innovative Lösung, um das knappe Gut – den Boden – doppelt zu nutzen. Dabei baut der Landwirt seine Feldfrüchte und zum Beispiel Weizen unter höher stehenden Photovoltaikmodulen an. Somit erntet er gleichzeitig Strom und Weizen. Er profitiert damit zweifach von seiner eingesetzten Fläche.
In Deutschland kommen zwei Agri-PV-Systeme zum Einsatz:
1.
Überdachende Systeme: Landwirte bearbeiten ihre Ackerfläche unter den installierten Solarmodulen. Die Module schützen die Ackerfrüchte vor Sonnenlicht. Lichtdurchlässige Module sind ebenfalls einsetzbar, je nachdem welche Kultur unter den Solarpanels wachsen soll. Wissenschaftler untersuchen derzeit die überertragssteigernde Wirkung von diesem System auf verschiedene Pflanzen. Niedrig wachsende Früchte eigenen sich nach heutigem Stand gut für dieses System.
2.
Parallele Systeme: Landwirtschaft und Solaranlagen werden auf dem Feld nebeneinander betrieben. Die Module sind in großen Reihenabständen aufgestellt. Der Landwirt kann seinen Acker zwischen den Reihen bewirtschaften. Es stehen ihm 85 Prozent der Fläche zum Anbau von Weizen, Roggen und Hafer zur Verfügung.
Landwirte können somit weiterhin Fördermittel für ihre landwirtschaftliche Produktion auf der Agri-PV-Fläche erhalten.
Die Forschung und Entwicklung ist bei den überdachenden Systemen noch nicht abgeschlossen. Durch den höheren Materialbedarf sind sie deutlich teurer und meistens unwirtschaftlich. Bei Kulturen wie Beeren und Obst, wo sich starke Synergien zwischen Landwirtschaft und Photovoltaik konzipieren lassen, kann es sich im Einzelfall rentieren.
Parallele Systeme hingegen sind bereits in der Praxis erprobt und bieten für Landwirte und Investoren entscheidende Vorteile:
Licht nutzen von allen Seiten
Der wahre Ertrags-Champion unter den Agri-PV-Systemen ist das einachsige Nachführsystem. Durch einen großen Reihenabstand lässt sich dieses Parallel-System effektiv nutzen. Die Technik wird bereits in südlichen Ländern von Landwirten erfolgreich eingesetzt.
Die Solarmodule sind morgens nach Osten gerichtet und drehen sich über den Tag der Sonne folgend nach Westen. Die Neigung der Module beginnt bei 70°. Das Solarmodul fängt in diesem Winkel früh am Morgen und noch spät am Abend Licht ein. Damit die Reihen sich nicht gegenseitig verschatten, sind Reihenabstände von 12 Meter optimal. Im Zwischenraum kann die Fläche landwirtschaftlich genutzt werden. Die Drehachse der Modultische liegt bei circa 2,60 Meter. Die Modulunterkante liegt bei circa 50 cm. Landwirte können somit problemlos bestimmte Feldfrüchte im Bereich des Modulgestells anbauen. Auch Klee oder Wildkräuter lassen sich im Bereich der Tischfüße kultivieren.
Das Agri-PV-System bietet eine sehr effiziente Landnutzung: 85 % der Fläche können weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, 13 % der Fläche dienen der Biodiversitätssteigerung (durch extensiven Blühstreifen) und nur 2 % der Fläche werden von der PV-Anlagen-Konstruktion beansprucht.
Zur Erntezeit können Landwirte die Modultische steil aufrichten. Landmaschinen nutzen damit den maximalen Raum für ihren Einsatz. Bei einachsigen Nachführsystemen setzen die Hersteller bifaziale Solarmodule ein. Sie nutzen das Licht auch auf der Rückseite der Module. Dadurch sind sie lichtdurchlässiger und verursachen weniger Verschattungen auf dem Acker. Insgesamt produziert das Nachführsystem jährlich 20 Prozent mehr Solarstrom als eine herkömmlich nach Süden ausgerichtete PV-Anlage. Ein Agri-PV-Projekt mit Nachführsystemen sollte eine Mindestgröße von 3 MWp installierter PV-Leistung haben. Für diese Größe ist eine zusammenhängende Fläche von fünf bis sechs Hektar erforderlich.
Hoher Nutzen (für alle Beteiligten)
Der Landwirt: Er kann Landwirtschaft und Stromproduktion auf einer Fläche kombinieren. Seine Einnahmen aus der Landwirtschaft sind weiter gesichert, außerdem kommen signifikante Erträge aus dem eigenen Betrieb der Solaranlage oder aus Pachteinnahmen hinzu. Er baut sich ein zusätzliches Standbein auf, um insbesondere in Jahren niedriger landwirtschaftlicher Erträge besser wirtschaftlich gerüstet zu sein.
Ein weiterer großer Vorteil der Agri-PV sind ertragsfördernde Effekte für die Landwirtschaft. Dies ist besonders in trockenen Gebieten von Vorteil. Die Modultische spenden über den Tag verteilt zusätzlichen Schatten und schützen die Felder vor Winderosion. Landwirtschaft und Energieerzeugung gehen Hand in Hand.
Der Betreiber des Solarparks: Speziell der Einsatz eines Nachführsystems hat folgende Vorteile:
Insgesamt ist eine höhere Akzeptanz bei den Bürgern, der Gemeinde, den Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden für Agri-PV zu erwarten.
Der deutlich höherer Ertrag gegenüber herkömmlichen Systemen führt zu einer hohen Wirtschaftlichkeit der Investition. Der Strom lässt sich besser vermarkten, da Strom schon in den frühen Morgenstunden und noch am Abend eingespeist werden kann. Ob der Landwirt selbst, eine Bürgerenergiegenossenschaft vor Ort oder ein Investor den Solarpark betreibt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
Die Gemeinde: Bei einer Genehmigung durch den Gemeinderat sichert sich die Kommune zusätzliche Steuereinnahmen. Hinzu kommen positive Effekte wie Steigerung der Standortattraktivität, Stärkung der Energieautonomie sowie eine positive Außenwahrnehmung.
Gesellschaft, Natur & Klima: Jede installierte Agri-PV-Anlage ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende, ohne landwirtschaftliche Fläche zu vernichten. Blühstreifen an den Modultischen oder andere Maßnahmen in Kooperation mit der Naturschutzbehörde lassen den Boden und die Insektenvielfalt aufatmen.
Agri-PV hat ein riesiges Potenzial. Damit lässt sich das Ziel von 100 Prozent Erneuerbaren Energien erreichen. Statt Konkurrenz entsteht hier eine gewinnbringende Synergie zwischen Landwirtschaft und Energie. Der größte Profiteur ist die Natur. Solarstrom substituiert fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas. Dies bedeutet, dass weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und somit jede Solaranlage den Klimawandel verlangsamt.
Die Umsetzung
Damit Agri-PV-Anlagen erfolgreich umgesetzt werden, brauchen Landwirte kompetente Projektentwickler an ihrer Seite. Spezialisierte Entwicklungsbüros kümmern sich um die benötigte Akzeptanz in der Gemeinde und koordinieren den Genehmigungsprozess. Nur so lässt sich ein vielversprechendes Agri-PV-Projekt nachhaltig mit hoher Akzeptanz der Bürger und Behörden umsetzen.
Agri-PV mit einachsigen Nachführsystemen ist eine innovative Lösung. Sie steht sofort zur Anwendung zur Verfügung. In Zukunft heißt es nicht mehr entweder oder, sondern sowohl als auch.